Freediving und Yoga

Dass Yoga bei vielen Freitauchern zu einem festen Bestandteil ihrer Vorbereitungen zu Apnoetauchgängen, oder gar zum täglichen Leben gehören, ist zumindest Insidern hinlänglich bekannt. Dass yogapraktizierende Freediver deswegen bessere Apnoetaucher sind, als jene, die kein Yoga praktizieren, müsste in einer groß angelegten Studie herausgefunden werden. Doch stellt sich zunächst die Frage, welchen Einfluss Yoga auf das Freitauchen haben könnte? Hierzu muss natürlich die Frage geklärt werden, was Yoga eigentlich ist?

Was ist Yoga?

Yoga ist zusammen mit Ayurveda die größte und älteste Gesundheitswissenschaft und Heilkunde der Welt, die innerhalb der großen auf den Veden (Wissen) beruhenden Systemen des Buddhismus, Hinduismus und Jainismus entstanden ist. Yoga ist auch eine der sechs vedantischen Philosophien Indiens, die da sind:

  1. Nyaya, die objektive Analyse
  2. Vaisheshika, der praktische Nutzen
  3. Samkhya, die innere Wahrnehmung
  4. Yoga, Körperübungen, Meditation, Atmung
  5. Purva Mimamsa, die Regeln des Lebens
  6. Uttara Mimamsa auch Vedanta genannt, die Erkenntnis, dass das Bewusstsein grenzenlos ist.

Da sich die einigermaßen nachvollziehbaren philosophischen und religiösen Perioden Indiens auf einen Zeitraum von ungefähr 3000 Jahren erstrecken, ist es umso anspruchsvoller die vielen Strömungen, die auf die Entstehung des Yoga Einfluss hatten, zu ergründen. Yoga ist daher geprägt von Kastensystemen, religiöser Weltanschauung, gesellschaftlichen und politischen Umwälzungen, Völkerwanderungen und Kriegen. Folglich lässt sich Yoga keineswegs auf Körperübungen reduzieren. Dennoch hat nach der Entdeckung des Yoga im Westen eine Fokussierung auf die Bereiche Asanas (Körperarbeit), Meditation und Pranayama (Atemkontrolle) stattgefunden.

Was ist Yoga in Bezug auf die Gesundheit?

Yoga ist das Zusammenführen unterschiedlicher Kräfte zu einem harmonischen Wirken von körperlichen, seelischen und geistigen Prozessen (Übersetzung der Sanskritwurzel Yui). Die zentrale Fragestellung der ersten Yogis in Indien lautete: Wie kann das menschliche Leiden behoben werden, und, ist Leiden eine Einbildung mit krankmachender Wirkung oder eine reale Bedrohung? Über eine lange Zeit wurden Körperübungen geschaffen, die, basierend auf den körperlichen Reflexen, bedrohliche Situationen nachahmen (Kopfstand, Schulterstand, Kriegerpositionen, Beugestellungen usw.). Diese Übungen (Asanas) repräsentieren Situationen, die vor allem unbewusste Lebenshaltungen aufzeigen (z.B. kämpfen, fliehen, schützen, nachgeben, aufgeben, sich öffnen usw.). Die körperlichen Merkmale geben also Auskunft über Stimmungslagen, die wir sonst nur in bedrohlichen Situationen wahrnehmen können. Diese Botschaften ermöglichen eine Bewusstwerdung und ein Nachdenken über unsere Lebensverhältnisse, sowie über das eigene Verhalten im Leben und befähigt uns somit, ein Gleichgewicht auf körperlicher, seelischer und sozialer Ebene zu erlangen. Yoga ermöglicht damit auch einen tiefen Blick in die Entstehung von Schmerzen, physischen und psychischen Blockaden und diversen Erkrankungen. Somit ist eine ganzheitliche Ausrichtung offensichtlich.

Yoga und heutige Wissenschaft – ein winziger Auszug

Die Erkenntnisse der ersten in vorchristlicher Zeit lebenden Yogis betrafen Zusammenhänge in Bezug auf:

  • Verhaltensweisen von Tieren und Menschen
  • Schutz, – und Abwehrhaltungen des Körpers
  • Krankmachende und gesund erhaltende Körperhaltungen
  • Verdauungsprozesse
  • Atemprozesse
  • Kreislaufprozesse.

Rhythmen – Regelkreislauf

In unserem Körper existieren Rhythmen von Herz, Nerven, Blutkreislauf, Gehirn, Muskeln und Lunge. Wenn diese Rhythmen durcheinandergeraten – und das kommt vor – sprechen wir von Desynchronisation.
Das Zusammenführen der Rhythmen nennen wir Koppelung oder Synchronisation. Die Koppelungen können wir z.B. in Pranayama (Atemkontrolle) üben.
Synchron verlaufende Rhythmen bilden ein Gesamtmuster und sind verantwortlich für die Persönlichkeit eines Menschen.
Folglich haben wir es auch mit Persönlichkeitsschulung zu tun.

Rhythmen werden als wellenförmige Schwingungen der Hinströme nach ihren Frequenzen fünf Frequenzbändern zugeordnet und in Hz (Hertz) gemessen. Es sind dies:

  • Alpha, 8 -13 Hz (entspannte Wachheit – Klarheit)
  • Beta, größer als 13 Hz (Unruhe, Angst, Stress, Flucht, Kampf…)
  • Theta, 4 – 8 Hz (Tiefenentspannung, Unterbewusstsein, Meditation)
  • Delta, kleiner als 4 Hz ( Tiefschlaf, totale Erholung ohne Traum)
  • PGO (Ur – Rhythmus / Rem – Schlaf) 4 – 14 Hz (Traumphase)

Die Körperübungen (Asanas) in Yoga liefern uns bei entsprechender Praxis:

  • Eine seelische und körperliche Zustandsbeschreibung
  • Die Möglichkeit, präventiv und regulierend unsere Befindlichkeit zu bestimmen
  • Ein erhöhtes Beweglichkeitstraining
  • Das Simulieren von Stresssituationen (Wettkampf, Prüfung, Wut, Bedrohung…) in denen die im Erbgut verankerten und vom Nervensystem gesteuerten Kampf- und Fluchtreflexe geweckt werden, und welche wir dadurch kontrollieren können
  • Einen therapeutischen Ansatz zur Aktivierung der Selbstheilungskräfte

Die Übersetzung ins Freediving

Dass Apnoetaucher vollständig gesund sein sollten, wenn sie tauchen gehen, steht sicher außer Zweifel. Dass Apnoetaucher während ihrer Tauchgänge ein funktionierendes Sensorium haben sollten, ist sicher auch einleuchtend. Hierzu bietet Yoga durch seine Anwendung im Bereich der Meditation und der Atemtechniken einen praktischen Ansatz.

Um auf die im Unterbewusstsein gespeicherten Programmierungen, die nun mal in ungünstigen Momenten plötzlich an die Oberfläche kommen können, zuzugreifen, müssen wir zur Ruhe kommen. Um erfolgreich zu tauchen, müssen wir auch zur Ruhe kommen. Demnach ist die Anwendung von Yoga sicher nicht verkehrt.

*Yoga als Dehnungsprogramm

Natürlich sind Asanas (Stellungen, Haltungen, Positionen, Bewegungen) jene Arbeiten, welche die Praktizierenden in körperliche Grenzbereiche führen, um den Körper dort sprechen lassen zu können. In diesen Bereichen finden dann Dehnungen statt. Das Dehnen von muskulären, bzw. faszialen Bereichen führt temporär zur Vorbeugung von Krämpfen durch eine gesteigerte Durchblutung und dadurch einer verbesserten Versorgung von Nährstoffen. Das ergibt ein positives Körpergefühl. Dient diese Vorbereitung ausschließlich Apnoetauchgängen, handelt es sich weniger um Yoga, als viel mehr um Gymnastik.

Um die Wahrnehmung geistiger und seelischer Zustände über die körperliche Arbeit zu entwickeln, ist es wichtig zu verstehen, dass Yogis ihr Training immer mit Fragestellungen begleiten. Diese können sein:

  • Wie geht es mir, wenn ich die oder jene Position einnehme….
  • Was geschieht in mir, wenn ich eine Stellung länger halte….
  • Wo spüre ich etwas, und wie kann ich das beschreiben…
  • Könnten die körperlichen Reaktionen (Schmerzen…) psychischen Ursprungs sein….
  • Habe ich das, was ich spüre, schon einmal in einem anderen Kontext erfahren…

Zusammenfassung

Yoga ist eine hohe Schulung der Achtsamkeit. Diese Achtsamkeit ist notwendig, wenn z.B. Freediver beim Tauchen in neue Dimensionen vordringen. Das Zusammenspiel von körperlichen, seelischen und geistigen Prozessen steht somit für eine vollständige Gesundheit. Yoga bietet hier Möglichkeiten, was jedoch nicht bedeutet, dass es ohne Yoga nicht gehen würde.

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