Pranayama

Der Begriff setzt sich zusammen aus:

Prana = Lebensenergie, von der Sonnen kommend
Ayama = verlängern, vertiefen, sich öffnen, erweitern, kontrollieren.

Als vierte der acht Stufen des Yoga ist Pranayama dennoch eine sehr eigenständige Wissenschaft und nicht mal eben so beiläufig zu erklären. Es geht eben nicht einfach nur um eine Atemtechnik. Die einfachste Erklärung müsste lauten: „Regulierung des Atems durch Achtsamkeit.“ Bewusste Atemschulung als Steuerung zu Regulierungen des Organismus und des Geistes wurde schon in den Sutren des Patanjali im Mittelalter beschrieben.

Pranayama als Quintessenz des Yoga

Die Asana (Körperübungen) – Praxis wird heute oft mit Pranayama zusammen gelehrt. Was allerdings nicht bedeutet, dass es zusammengehört. Da der Yogaweg mit seinen acht Stufen ohnehin eine lange Reise in die Tiefen menschlicher Empfindungen und seelischer Prozesse ist, ist Pranayama wohl die intensivste Form der acht Stufen.

Pranayama ist Reinigung und Koppelung

Yoga ist sowohl grob – als auch feinstofflich. Weswegen auf der physischen Ebene Pranayama als Synchronisierung der biologischen Regelkreisläufe wirkt und somit auch das Entgiftungssystem anregen kann. Auf der feinstofflichen Ebene werden die sogenannten Nadis (Energieleitbahnen) angesteuert, die den Energiefluss anregen. Hier greift z.B. die Philosophie der Kundalini, jener Urenergie, die im Beckengrund des Menschen latent vorhanden ist, und über die Atmung zum Aufsteigen durch die Chakren entlang der Wirbelsäule angefacht wird.

Bandhas, was ist das?

Um die Lebensenergie zu bündeln, oder in bestimmten Bereichen des Körpers zu erhöhen, werden Bandhas eingesetzt.

Bandhas sind Verschlüsse, von denen es fünf gibt:

  • Jalandhara Bandha – Kehlverschluss
  • Uddiyana Bandha – Bauchverschluss:
  • Mulabandha – Wurzelverschluss
  • Pada Bndha – Fußverschluss
  • Hasta Bandha – Handverschluss

Doch nicht nur können Energien gespeichert und erhöht werden. Es können auch Energieblockaden in Körper und Geist gelöst werden. Besonders durch langes Ausatmen stellt sich eine Beruhigung des Nervensystems ein, wodurch Stress, Schlafstörungen, hoher Blutdruck e.c.t.. vorgebeugt werden kann. Über den tiefen Atem können wir auch unangenehme Emotionen besser loslassen und zu innerem Frieden und Klarheit finden. Darüber hinaus werden durch das Üben von Pranayama die Zellen besser mit Sauerstoff versorgt, wodurch sich die Organe und der Hormonhaushalt besser regenerieren können.

6 Pranayama-Übungen und ihre Wirkung

1. Purna Atmung – Vollständige Atmung

Purna bedeutet „Fülle“. Bei der Purna Atmung werden 3 Atemräume miteinander verbunden.

Du kannst die Übung im Meditationssitz oder auch im Liegen ausführen.

Ausführung

  • Lege für die Purna-Atmung zuerst die Hände auf deinen Bauch und spüre wie sich die Bauchdecke hebt und senkt. Nimm hier ein paar Atemzüge.
  • Nun lege die Hände rechts und links auf die Rippen deines Brustkorbes, so dass deine Daumen nach innen zeigen. Spüre die Ausdehnung deines Brustkorbes bei jedem Atemzug.
  • Zuletzt lege die Hände auf die Lungenspitzen in Höhe der oberen Rippen und unterhalb der Schlüsselbeine. Spüre wie sich dein oberer Brustkorb ein wenig anhebt.
  • Beobachte deinen Atem an diesen 3 Stellen für 7-10 Atemzüge und verspüre was in deinem Körper passiert.

Wirkung

  • löst physische und psychische Anspannungen
  • entspannt die Atemmuskulatur und die Bronchien
  • beruhigt den Herzschlag
  • senkt den Blutdrucks
  • verbessert die Verdauung
  • hilft bei Schlaflosigkeit
  • verbessert die Konzentration

2. Bhramari Atmung – Summen

Bhramari bedeutet soviel wie „Bienenton-Atem“. Bei der Bhramari – Atmung wird beim Ausatmen mit geschlossenem Mund wie eine Biene gesummt.

Du kannst die Übung gut im Sitzen oder Liegen ausführen. Das Summen kann auch in Kombination mit Purna bei der Ausatmung geübt werden.

Ausführung

  • Atme tief ein und lass dann mit einem Summen den Atem wieder aus deinem Körper ausströmen. Durch das Summen entsteht eine starke Vibration in den Resonanzräumen deines Körpers, v.a. im Kopf sowie im Nacken- und Brustraum.
  • Die Vibration bewirkt, dass das Gewebe besser durchblutet wird, wodurch beim Üben oft eine angenehme Wärme und ein leichtes Kribbeln entstehen kann.

Wirkung

  • beruhigt Körper und Geist
  • lindert innere Unruhe
  • ist hilfreich bei Schlafstörungen
  • fördert die Vertiefung des Atems
  • verbessert den (Aus)Atemfluss
  • lindernd bei Asthma Bronchiale durch die Öffnung der Atemwege beim langen Ausatmen
  • regt die Verdauung an

3. Chandra Bhedana Atmung – Mondatmung

Im Sanskrit bedeutet Chandra „Mond“ und Bhedana „durchbohren“ oder „hindurch gehen“. Diese Übung weckt die weibliche Mondenergie und aktiviert das Ida Nadi. Du kannst die Übung gut im Sitzen auf einem Meditationskissen oder auf einem Stuhl ausführen.

Zum Hintergrund

In den yogischen Schriften findet sich die Lehre von den Nadis, den Energiekanälen, die den menschlichen Körper durchziehen. Die Yogis sprechen von 72000 Nadis. Davon sind drei die wichtigsten:

Sushumna Nadi:
befindet sich in der Mitte und verläuft in der Wirbelsäule.

Ida Nadi:
verläuft im linken Teil des Körpers und herrscht über die rechte Hirnhemisphäre. Ida ist Träger der Mond-Energie, der weiblichen, gefühlsbetonten Kraft.

Pingala Nadi:
ist Träger der Sonnenenergie, der männlichen, analysierenden, nach außen gehenden Kraft. Pingala verläuft im rechten Teil des Körpers und herrscht über die linke Hirnhemisphäre.

Ausführung

Vishnu-Mudra

Halte die Hand im Vishnu-Mudra (Zeige- und Mittelfinger sind nach unten geklappt).

  • Daumen und Ringfinger verschließen bei der Atmung abwechselnd die Nasenlöcher.
  • Atme mit dem linken Nasenloch ein und halte das rechte Nasenloch mit dem Daumen verschlossen. Dadurch wird Ida Nadi, die Mondenergie geweckt.
  • Anschließend atme durch das rechte Nasenloch aus und halte das linke Nasenloch mit dem Ringfinger verschlossen.
  • Wenn du möchtest, kannst du nach dem Einatmen eine Atempause machen, bei der du beide Nasenlöcher verschließt.

Wirkung

  • hat eine kühlende Wirkung
  • beruhigt und entspannt das Nervensystem
  • hilft beim Loslassen
  • Hilft gegen Nervosität und Reizbarkeit
  • hilft gegen Heißhunger
  • unterstützt die Regeneration
  • fördert die Intuition und geistigen Fähigkeiten

4. Nadi Shodana/Anuloma Viloma – die Wechselatmung

Die Bedeutung von Nadi ist „Energiekanal“ und Shodana bedeutet „Reinigung“. Dieses Pranayama reinigt die Energiekanäle und bringt die rechte und linke Gehirnhälfte in Balance. Oft wird sie auch Raja Pranayama („königliches Pranayama“) genannt.

Wenn du die Atmung zum ersten mal übst oder Herz- bzw. Blutdruckbeschwerden hast, übe ohne das Anhalten des Atems.

Ausführung

  • Halte die Hand im Vishnu-Mudra (Zeige- und Mittelfinger sind nach unten geklappt). Der Daumen und der Ringfinger verschließen abwechselnd die Nasenlöcher.
  • Verschließe mit dem rechten Daumen das rechte Nasenloch und atme tief durch das linke Nasenloch aus.
  • Atme durch das freie linke Nasenloch tief ein und schließe dann mit dem Ringfinger der rechten Hand auch das linke Nasenloch. (Halte den Atem an und zähle bis 4).
  • Löse den Daumen vom rechten Nasenloch und atme vollständig aus.
  • Nun atme durch das rechte Nasenloch tief ein, schließe mit dem rechten Daumen das rechte Nasenloch, halte den Atem kurz an und löse dann den Ringfinger vom linken Nasenloch zum Ausatmen.
  • Jetzt wieder links einatmen und den Kreislauf von vorn beginnen.

Wiederhole die Atmung 5x auf jeder Seite.

Wirkung

  • beruhigt den Geist und wirkt ausgleichend bei Ängsten und Stress
  • verbindet die männliche und weibliche Seite
  • harmonisiert Sympathikus und Parasympathikus
  • erhöht den Sauerstoffgehalt im Blut
  • Lebensenergie wird gespeichert
  • Stärkung des Zwerchfells und Vertiefung der Atmung
  • hilft gegen Müdigkeit und Kopfschmerzen

5. Ujjayi Atmung – Kehlatmung

Ujjayi bedeutet „siegreich“ und ist eine Atemtechnik, bei der die Stimmritze verengt wird. So kann sehr kontrolliert ein- und ausgeatmet werden. Mit diesem Pranayama kann man den Atem ideal verlängern und verfeinern.

Die Ujjayi Atmung kann ideal im Sitzen geübt werden und während der gesamten Yogapraxis (besonders bei herausfordernden Bewegungen) als unterstützende Atmung eingesetzt werden.

Die Atemtechnik sollte nicht bei hohem Blutdruck, Herzbeschwerden oder Hitzebeschwerden durchgeführt werden.

Ausführung

  • Atme langsam durch die Nase ein und durch den Mund aus. Erzeuge beim Ausatmen ein lautes „hhhaa“- Geräusch.
  • Lasse beim nächsten Atemzug deinen Mund geschlossen und erzeuge beim Ausatmen wieder das „hhhaa“- Geräusch. Die Kehle bleibt dabei in unveränderter Form. Wenn dir das schwer fällt, stelle dir vor, einen Spiegel mit geschlossenem Mund anzuhauchen.
  • Behalte die Form der Kehle nun auch während der Einatmung bei und lasse den Mund geschlossen. Es entsteht nun derselbe rauschende Ton, der sehr beruhigend wirkt und an Meeresrauschen erinnert.

Je länger du die Atmung übst, desto schneller kann sich ein entspannter Effekt einstellt. Durch das leise Rauschen kann der Atem gut beobachtet und verlängert werden. Yogabewegungen können harmonisch und im Einklang mit der Atmung ausgeführt werden.

Wirkung

  • löst Spannungen und beruhigt den Geist
  • erhöht das Lungenvolumen
  • reinigt den Kehlkopf
  • kräftigt den Körper
  • sorgt für eine bessere Sauerstoff-Aufnahme
  • fördert die Verdauung
  • reinigt Sushumna Nadi
  • fördert die Konzentrationsfähigkeit und erhöht die Achtsamkeit
  • stimuliert das Wurzelchakra

6. Sitali = kühlende Atmung

Die Sitali Atmung kühlt den Körper und kann bei allen Beschwerden eingesetzt werden, die mit zu viel Hitze zu tun haben (z.B. Fieber, Wechseljahre).

Die Übung sollte im aufrechten Sitz (Stuhl oder Meditationssitz) ausgeführt werden.

Ausführung

  • Die Zunge wir zu einem „U“ gerollt und bis zu den Lippen heraus gestreckt, so dass eine kleine Rinne geformt wird durch die der Atem einströmen kann.
    Es gibt Menschen, die mit ihrer Zunge keine Rille formen können. In diesem Falle lässt man die Zunge glatt.
  • Atme langsam und gleichmäßig ein. Weite dabei den Brustkorb und den Bauch.
  • Es wird zischend durch die Zungenrinne eingeatmet.
  • Halte evtl. 1-4 Sekunden den Atem an.
  • Atme durch die Nase wieder aus.

Wiederhole die Atmung 5 x.

Wirkung

  • Kühlung des Körpers, gut bei Hitzewallungen oder Fieber
  • Reinigung des Blutes und Anreicherung mit Sauerstoff
  • Zügelt den Appetit und fördert Verdauung
  • hilft gegen Bluthochdruck und Kopfschmerz

Vorbeugung gegen Atembeschwerden

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